Kalie* ist Beraterin im Irakisch-Deutschen Zentrum für Arbeit, Migration und Reintegration in Bagdad (GMAC). Im Interview erklärt sie, was das Besondere an ihrer Arbeit ist und was sie den Menschen mit auf den Weg geben möchte.
Kalie, wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?
Meine Aufgabe ist es, Vertrauen aufzubauen, Hoffnung wiederherzustellen und die beruflichen Aussichten der Ratsuchenden zu verbessern. Mein Tag beginnt in der Regel damit, dass ich mich mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern oder Menschen aus der lokalen Bevölkerung treffe, um sie zu verschiedenen Themen zu beraten – je nachdem, welche Bedürfnisse oder Fragen sie haben. Zuerst sprechen wir über ihre Gefühle und Gedanken, die oft geprägt sind von Existenzangst. Doch wir wollen auch Hoffnung vermitteln und Jobmöglichkeiten aufzeigen. Nach der Beratung beginne ich, zu recherchieren und für den individuellen Bedarf die besten Möglichkeiten zu finden.
„Informieren Sie sich möglichst frühzeitig“
„Informieren Sie sich möglichst frühzeitig“
Erzählen Sie uns etwas über die Rückkehrerinnen und Rückkehrer, mit denen Sie arbeiten.
Da fällt mir zum Beispiel ein Rückkehrer aus Deutschland ein. Wir waren mit ihm durch einen Reintegrations-Scout in Deutschland in Kontakt und hatten bereits vor seiner Rückkehr ein Telefonat mit ihm. Wir erklärten ihm, welche Unterstützung wir hier in GMAC anbieten. Mithilfe unserer Kolleginnen und Kollegen in Deutschland konnte er sich schon vor seiner Abreise für verschiedene Programme bewerben. Unter anderem ging es um Kurse zur Unternehmensführung. Jetzt ist er zurück und hat sich schulen lassen, um seinen eigenen Friseursalon zu eröffnen. Ich werde mit ihm in engem Austausch bleiben, bis sein Projekt vollständig umgesetzt ist.
Wie schaffen Sie es, Vertrauen zu Ihren Gesprächspartnerinnen und -partnern aufzubauen?
Zuerst stelle ich mich der Person vor. Wir sagen den Menschen zu Beginn der Beratung, dass das Gespräch vertraulich behandelt wird und dass ihr Einverständnis erforderlich ist, bevor wir weitere Maßnahmen ergreifen. Wir erklären ihnen, dass wir bestimmte Fragen stellen müssen, um sie bedarfsgerecht unterstützen zu können. Zum Beispiel fragen wir sie nach ihrem Namen, dem Alter, dem Jahr der Rückkehr und ihrem neuen Lebensmittelpunkt. Außerdem erklären wir detailliert alle Abläufe und sprechen mehrmals mit ihnen. So entsteht Vertrauen zwischen uns und der Person.
Wie stellen Sie sicher, dass sich Ratsuchende verstanden fühlen?
Wir nehmen uns Zeit für jeden Einzelnen. Wir sind geschult und gut informiert, um auf die individuellen Bedürfnisse reagieren zu können. Da jeder Fall anders ist, sprechen wir nur mit vier Personen pro Tag. Dadurch garantieren wir, dass niemand zu kurz kommt. An der Wand des Beratungsraums im GMAC hängt ein großer Bildschirm, der mit meinem Laptop verbunden ist, während ich die Daten der Ratsuchenden eingebe. Dadurch sehen sie, was wir uns zu ihrer Person notieren. Wir halten nichts geheim, sondern besprechen alles gemeinsam. Auch dadurch sorgen wir dafür, dass sich die Person während der Beratung wohlfühlt. Aber leider sind momentan keine Beratungen vor Ort möglich. Ich freue mich, bald hoffentlich wieder Menschen in unseren Büroräumen begrüßen zu dürfen.
Woran leiden die Menschen besonders häufig?
Die Rückkehrerinnen und Rückkehrer leiden oft unter seelischen Problemen und finanziellen Krisen. Meistens mussten sie ihr gesamtes Erspartes für die Rückkehr ausgeben. Sie brauchen schnelle Unterstützung, psychosoziale Betreuung und einen Zuschuss zur Miete. All das können wir vermitteln. Im nächsten Schritt müssen sie einen Job finden oder sich selbstständig machen. Egal wie die Entscheidung ausfällt, wir unterstützen sie auf ihrem Weg.
Über welche Ergebnisse freuen Sie sich?
Wir haben es geschafft, die meisten Menschen wieder erfolgreich in die lokale Gesellschaft und Wirtschaft einzugliedern. Viele haben einen dauerhaften Job oder ein eigenes kleines Unternehmen, andere haben eine Berufsausbildung begonnen, vermittelt über unser Zentrum. Besonders freut mich, dass wir ihnen nach all den Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert waren, wieder Hoffnung auf ein besseres Leben geben konnten.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein Rückkehrer, mit dem ich vor seiner Abreise aus Deutschland sprach, erzählte mir, dass er keine Hoffnung mehr habe, in Irak ein neues Leben zu beginnen. Er sei sehr müde vom Leben und den Schwierigkeiten, die er durchgemacht habe. Jetzt ist er zurück und mit unserer Unterstützung und kontinuierlichen Beratung fühlt er sich besser. So konnte er sogar ein Geschäft für Telefonzubehör aufbauen. Mittlerweile hat er seinen Laden seit sechs Monaten. In dieser Zeit standen wir ständig in Kontakt. Jemanden zu sehen, der keine Hoffnung mehr hatte und jetzt wieder auf den Beinen ist, motiviert mich, noch mehr Menschen zu helfen.
Was möchten Sie den Rückkehrerinnen und Rückkehrern mit auf den Weg geben?
Wenn Sie sich entschieden haben, nach Irak zurückzukehren, sollten Sie bereits in Deutschland nach Unterstützungsangeboten suchen. Besuchen Sie eine Rückkehrberatung in Ihrer Nähe, um umfassende Informationen zu erhalten. Idealerweise kommen Sie so auch schon frühzeitig mit uns in Kontakt.
Stand: 08/2021
*Name von der Redaktion geändert